Der Gesetzgeber hat eingegriffen und den fliegenden Gerichtsstand (= freie Gerichtswahl durch den Kläger) bei Urheberrechtsverletzungen durch Private abgeschafft. Mussten früher die Verfahren in Hamburg, München und Köln geführt werden, die strenge Urheberrechtsauffassungen vertreten, sind jetzt die örtlichen Gerichte zuständig.
Die Zuständigkeitsverordnung Justiz für Niedersachsen weist alle Urheberrechtsstreitigkeiten im Gerichtsbezirk Braunschweig dem Amtsgericht Braunschweig zu. Dies betrifft die Amtsgerichte: Göttingen, Hann. Münden, Duderstadt, Einbeck, Northeim, Osterode, Herzberg, Clausthal-Zellerfeld, Bad Ganderheim, Seesen, Goslar, Salzgitter, Wolfenbüttel, Helmstedt und Wolfsburg.
Also: Klagen zum Beispiel gegen Göttinger müssen vor dem Amtsgericht Braunschweig verhandelt werden.
Dies folgt aus dem neuen § 104a UrhG iVm der Zuständigkeitsverordnung für Justiz. Der § 104a UrhG lautet wie folgt:
Für Klagen wegen Urheberrechtsstreitsachen gegen eine natürliche Person, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk diese Person zur Zeit der Klageerhebung ihren Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Wenn die beklagte Person im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.
Dies ist bei den sich bei uns nun häufenden Klagen vor dem Amtsgericht Braunschweig Anlaß sich näher mit den Rechtsauffasungen des Gerichts zu befassen.
Das Amtsgericht Braunschweig vertritt offenbar die Auffassung, daß urheberrechtliche Ansprüche binnen der dreijährigen Regelverjährung und nicht binnen 10-Jahren verjähren.
Zwischen den Klagen aufgrund angeblicher Urheberrechtsverletzung und dem behaupteten Urheberrechtsverstoß liegen augenblicklich bei einigen Fällen fast 5 Jahre. Daher ist die Frage der Verjährung besonders wichtig.
In einem von uns betreute Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht Braunschweig vertrat der zuständige Richter die Auffassung, daß für den Schadensersatzanspruch (Lizenzschaden) die Regelverjährung von 3 Jahren greift. Die Abmahnkosten würden allerdings erst mit der Abmahnung entstehen und daher, da die Abmahnung erst nach dem Jahreswechsel erfolgte, war der Anspruch auf die Anwaltskosten vorgeblich nicht verjährt.
Die Auffassung des Amtsgerichts Braunschweig, daß die Regelverjährung von 3-Jahren greift, ergibt sich auch aus einer weiteren aktuellen Entscheidung (Amtsgericht Braunschweig 118 C 2178/14):
Maßgeblich ist die 3-jährige Regelverjährungsfrist des § 195 BGB, die Ende 2012 ablief. Auf den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Lizenzanalogie sind die Bestimmungen der §§ 102 UrhG, 852 BGB nicht anzuwenden. Zur Frage, wann Ansprüche auf Ersatz des Schadens in Lizenzanalogie in Filesharingangelegenheiten verjähren, gibt es bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof hat sich lediglich zur Frage der Verjährung von Lizenzansprüchen im Rahmen der Entscheidung ‘Bochumer Weihnachtsmarkt’ (BGH Urteil v. 27.10.2011 , I ZR 175/ 10) auseinandergesetzt und insoweit ausgeführt, dass Ansprüche einer Verwertungsgesellschaft auf Ersatz einer angemessenen Lizenzgebühr in 10 Jahren verjähren. Der vom Bundesgerichtshof zu entscheidende Sachverhalt ‘Bochumer Weihnachtsmarkt’ behandelt jedoch eine grundlegend andere Fallkonstellation, so dass die in diesem Urteil aufgestellten Grundsätze auf Filesharingfälle nicht zu übertragen sind. Während die Verwertungsgesellschaft GEMA es einem Nutzer ermöglicht, einen urheberrechtliehen Lizenzvertrag über die von ihm gewünschte Musiknutzung abzuschließen, besteht in Filesharingangelegenheiten eine solche Mäglichkeit nach dem Vorbringen der Klägerin nicht. Vorliegend hätte die Beklagte daher selbst dann, wenn sie dies gewollt hätte, mit der Klägerin keinen urheberrechtlichen Lizenzvertrag über eine Weiterverbreitung im Rahmen eines Filesharing-Systems schließen können. Zutreffend hat das AG Bielefeld in seiner Entscheidung vom 04.03.14 (Aktenzeichen 42 C 368/13) festgehalten, dass es sich bei Urheberrechtsverstößen im Rahmen einer Peer-to-Peer-Tauschbörse dem Wesensmerkmal nach um unerlaubte Handlungen handelt, für die gerade nicht die Grundsätze eines bereicherungsrechtlichen Schadensersatzanspruches anwendbar sind. Dem schließt sich das erkennende Gericht an.
Bei einer Klage beim Amtsgericht Braunschweig aufgrund von Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen stellt sich die Frage, wie es durch das Amtsgericht in Braunschweig bewertet wird, wenn der Abmahner den Unterlassungsanspruch nicht weiter verfolgt hat. In einem Fall, in dem wir die Beklagten vertreten, gab das Amtsgericht Brunscheig bereits den Hinweis, daß die Abmahnkosten dann verwirkt sein könnten.
In einem aktuellen Urteil Amtsgericht Braunschweig (118 C 2178/14) wird diese Auffassung ebenso vertreten:
Die Klägerin machte gegen den Beklagten keine Ansprüche auf Unterlassung trotz der Tatsache, dass der Beklagte die übersandte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht unterschrieb, geltend. Nach Ansicht einiger Gericht reicht dieser Umstand alleine aus, um den Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten für unberechtigt zu halten (vgl. neuestens wieder AG Hamburg, Urteil vom 20.12.2013, Az. 36a C 134/13). Zumindest musste der Beklagte nach dem Ablauf einer derartig langen Zeit nicht mehr damit rechnen, dass er trotz der Tatsache, dass er die strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht unterschrieben hat und die Klägerin ihn wegen der Unterlassung danach nicht mehr in Anspruch genommen hat, noch wegen der Abmahnkosten in Anspruch genommen wird. Es kommt noch hinzu, dass der Unterlassungsanspruch wegen der Regelung in § 199 Abs. 5 BGB schon Ende 2012 verjährt war, weil die Zuwiderhandlung im Jahre 2009 stattgefunden haben soll und die Person des Beklagten der Klägerin auch schon im Jahre 2009 bekannt geworden ist.
Bei den Klagen aufgrund von behaupteten Urheberrechtsverletzungen wegen illegalem Downloads beim Amtsgericht Braunschweig ist es für die Betroffenen häufig von entscheidender Bedeutung, wieviel die Abgemahnten Anschlußinhaber über die innerfamiliären Verhältnisse vortragen müssen. Wieviel ist es notwendig bei einer Klage wegen illegaler Tauschbörsennutzung vorm Amtsgericht Braunschweig zu offenbaren, um aus der Störerhaftung entlassen zu werden?
Nach einem aktuellen Urteil des Amtsgerichts Braunschweig (119 C 162/14) genügt es offenbar, die anderen Nutzer des Anschlusses zu benennen.
Es stellt sich dann die Frage, inwieweit der Anschlußinhaber Sicherheitsvorkehrungen in der Familie treffen muß. Hier bleibt das Amtsgericht Braunschweg auf der Linie des BGHs zur Störerhaftung. Der Anschlußinhaber muß ohne konkrete Anhaltspunkte nichts tun. Er darf vertrauen, vgl. Amtsgerichts Braunschweig 119 C 162/14.
Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, ist die Verletzung von Prüfpflichten Voraussetzung. Dabei kommt es auch darauf an, inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. So ist der private WLAN-Anschlussinhaber verpflichtet, seinen Anschluss durch zumutbare und angemessene Sicherungsmaßnahmen gegen die missbräuchliche Nutzung durch Außenstehende zu sichern (vgl. BGH a.a.O. m.w.N.). Auch haftet der Inhaber eines Internetanschlusses grds. nicht als Störer auf Unterlassung, wenn volljährige Familienangehörige den ihnen zur Nutzung überlassenen Anschluss für Rechtsverletzungen missbrauchen. Erst wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Missbrauch hat, muss er die zur Verhinderung erforderlichen Maßnahmen ergreifen (BGH I ZR 169/12). Der Beklagte hatte seinen pe – unstreitig – durch ein ausreichendes Verschlüsselungsprotokoll und ein nutzereigenes Passwort gegen Zugriff von außen gesichert. Ob er daneben auch besondere Sicherungsmaßnahmen gegen eine missbräuchliche Nutzung durch volljährige Familienmitglieder ergriffen hat, ergibt sich aus dem Akteninhalt nicht. Eine Verpflichtung dazu hatte der Beklagte aber auch nicht. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass und wenn ja welche konkreten Anhaltspunkte der Beklagte für eine missbräuchliche Nutzung des Anschlusses durch seine Ehefrau in der Vergangenheit gehabt hätte.
Letztes Jahr hat das Amtsgericht Braunschweig einem abgemahnten Recht gegeben, der vortrug nicht zu haften, da er eine Sicherheitslücke im Speedport hatte.
Nach allgemeinen Grundsätzen trägt die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für die ihren Anspruch begründenden Tatsachen. Entgegen ihrer Auffassung besteht vorliegend keine tatsächliche Vermutung dahin, dass der Beklagte die Rechtsverletzungen begangen hat. Er hat nämlich im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast einen Sachverhalt vorgetragen, der es möglich erscheinen lässt, dass sich unbefugte Dritte über die Sicherheitslücke seines Routers Zugang zu seinem Internetanschluss verschafft und die Verletzungshandlungen begangen haben. Diesbezüglich hilft es der Klägerin nicht, zu bezweifeln, ob die WPS-Funktion am Router des Beklagten überhaupt aktiviert war. Dem Beklagten ist nicht abzuverlangen, sich heutzutage noch daran zu erinnern, wie der Router vor mindestens 4 Jahren, wenn nicht die Herstellung des Internetanschlusses noch länger zurückliegt, im Detail eingestellt war. Diesbezüglich genügt er seiner sekundären Darlegungslast mit dem Hinweis, dass der Anschluss automatisch erfolgte. Die Klägerin behauptet demgegenüber nicht, für eine automatische Konfiguration bedürfe es nicht der WPS-Funktion. Soweit sie stattdessen im nachgelassenen Schriftsatz vom 20.08.2014 pauschal behauptet, der Router des Beklagten habe zur streitgegenständlichen Zeit auch bei aktivierter WPS-Funktion die Sicherheitslücke nicht aufgewiesen, ist ihrem auf die Einholung eines Sachverständigengutachten gerichteten Beweisantritt nicht nachzugehen. Die Klägerin stellt diese Behauptung erkennbar ins Blaue hinein auf, denn sie steht in unüberbrückbarem Widerspruch zu den vom Beklagten vorgelegten Produktwarnungen der Telekom und von Heise-Online (Anlagen B 1 und B 2). Dem Klagevorbringen lässt sich auch nicht mit genügender Deutlichkeit entnehmen, dass die Klägerin behaupten will, der Beklagte habe im September nicht den “vermeintlich” eingesetzten Router “Speed port W 504V” sondern ein anderes Gerät eingesetzt, welches die Sicherheitslücke nicht aufwies. Jedenfalls könnte über eine derartige Behauptung kein Sachverständigenbeweis erhoben werden. Ebenso wenig kann es der Klägerin zum Erfolg verhelfen, dass die Sicheiheitslücke erst 2012 “entdeckt” und öffentlich bekannt gemacht wurde. Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass dies keine Rückschluss darauf zulässt, dass nicht auch kriminelle Personen mit hoher IT-Kompetenz die Lücke wesentlich früher erkannt und für sich genutzt hatten. Die unstreitige Tatsache, dass der Beklagte in einem Mehrfamilienhaus lebte, lässt einen Missbrauch seines WLAN-Anschlusses durchaus zu.