Wir machen Freifunk, weil jeder Mensch das Recht auf einen Internetzugang hat.
Jeder Mensch hat das Recht auf einen Internetzugang, denn jeder Mensch hat das Recht darauf, sich ungehindert aus dem Internet informieren zu können. Dieses Recht folgt direkt aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.
Art. 2 I GG schützt die freie Entfaltung der Persönlichkeit und damit auch den Zugang zum Internet. Das Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit besteht dabei auch für Onlineaktivitäten. Das heißt, daß jeder Mensch das Recht hat, ins Internet zu gehen, um seine Persönlichkeit nicht nur offline, sondern auch online entfalten zu können. So lange der Mensch online nicht die Rechte anderer verletzt, darf seine Internetaktivität nicht behindert werden. Einem Menschen den Zugang zum Internet zu verwehren, verstößt hingegen nicht nur gegen Art. 2 I GG, sondern auch gegen Art. 5 GG. Nach Art. 5 I GG hat nämlich jeder - also auch Nichtdeutsche (z.B. Flüchtlinge) - das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren,
vgl. Art. 5 I GG:
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Das Internet ist eine solche allgemein zugängliche Quelle im Sinne des Art. 5 GG (vgl. Luch, Schulz MMR 2013,88; Lewinski, RW 2011,70,84; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 10. Auflage, München 2004, Art. 5 Rn. 9; BVerwG 6 C 12.09), zu der jeder Mensch ein Recht auf ungehinderten Zugang hat. Nach Auffassung des BVerwG - unter Bezug auf das BVerfG - erstreckt sich diese Informationsfreiheit des Art. 5 GG auch auf das Recht, Anlagen zum Zwecke des Internetzugangs zu beschaffen und zu nutzen.
So schreibt das BVerwG (6 C 12.09):
Auch das Internet ist eine allgemein zugängliche Quelle (...). Soweit der Empfang von technischen Anlagen abhängt, die eine an die Allgemeinheit gerichtete Information erst individuell erschließen, erstreckt sich der Grundrechtsschutz auch auf die Beschaffung und Nutzung solcher Anlagen. Andernfalls wäre das Grundrecht in Bereichen, in denen der Informationszugang technische Hilfsmittel voraussetzt, praktisch wertlos (BVerfGE 90, 27 <32>).
Ein Internetzugang gehört heute zu einem menschenwürdigen Leben und zur sozio-kulturellen Teilhabe in unserer digitalisierten Welt. Das ist Fakt.
Der Gesetzgeber darf für den Internetzugang Regelungen schaffen als Schranken des Grundrechts, doch diese Regelungen müssen sich an dem Grundrechtskatalog messen lassen. Diese Schranken dürfen den Internetzugang daher nicht unnötig erschweren oder zum Beispiel in das geschützte Telekommunikationsgeheimnis nach Art. 10 GG eingreifen, wie es zum Beispiel die ersten Versuche des Gesetzgebers zur Vorratsdatenspeicherung taten. Vgl. hier die Maßgaben des BVerfGs.
Wir machen Freifunk, weil die Störerhaftung nur der Tauschbörsenabmahnindustrie zugute kommt und nicht den Menschen!
Augenblicklich wird offenes W-LAN in Deutschland verhindert, da Betreiber von Internetzugängen befürchten, für Rechtsverletzungen Dritter in die Störerhaftung genommen zu werden. Dies beruht auf der BGH-Entscheidung I ZR 121/08. Hier ging es um illegale Musikdownloads über Tauschbörsen. Um die Tauschbörsenabmahnungen rankt sich eine Abmahnindustrie aus Musik-, Film-, Software- und Spielerechtsinhabern und dutzenden von industrialisiert arbeitenden Massenabmahnungskanzleien, die hunderttausendfach Briefe an Anschlußinhaber verschicken.
Seit der BGH-Entscheidung I ZR 121/08 zugunsten der Abmahnindustrie muß der Anschlußinhaber eines Internetanschlusses offenbaren, ob er nicht zuhause war, wer seinen Anschluß nutzte und ob dieser gesichert war, um im Ernstfall vor Gericht der Störerhaftung zu entgehen. Dies ist die Darlegungslast, die dem Anschlußinhaber durch den BGH auferlegt wurde. Anderenfalls gilt die Vermutung, daß der Anschlußinhaber Täter ist.
Aus unserer Sicht ist es sehr fraglich, ob diese Darlegungslast des Anschlußinhabers mit Art. 6, 10 und 13 des Grundgesetzes vereinbar ist. In der Zwischenzeit lockern die Richter - sowohl des BGHs - als auch den unteren Instanzen die Störerhaftung wieder auf und stellen an die Darlegungslast immer geringere Anforderungen.
Dieses einzelne spezielle Urheberrechtsproblem der Tauschbörsenabmahnungen im Internet ernährt eine gesamte Abmahnindustrie. Dieses Problem ist der Verursacher für die gesicherten W-LANS in Deutschland. Wegen der Tauschbörsenproblematik kommen wir nirgendwo mal schnell, leicht und kostenlos ins Internet. Der Gesetzgeber schützt hier die Interessen der Rechtsinhaber und das Urheberrecht stärker als das Grundrecht auf Zugang zum Internet. Dabei ist es weiterhin umstritten, ob illegale Downloads in Tauschbörsen überhaupt einen Schaden verursachen.
Wir machen Freifunk, weil auch wir an Freiheit statt Angst glauben!
Nach langen und ausgiebigen Kanzleidiskussionen in unserem Team für das Für und Wider des Anbietens für einen offenen Internetzugang über Freifunk, haben wir uns für die Freiheit entschieden. Natürlich hatten wir als Juristen bzw. Rechtsanwaltsfachangestellte viele Pro und Contra-Argumente zu Freifunk. Wir haben viel über Vor- und Nachteile von Pseudonymität und Anonymität im Internet gesprochen und hier abgewogen, was die bessere Lösung sein könnte. Unser Fazit: Der gesellschaftliche Vorteil eines Freifunknetzwerkes ist nicht ersetzbar, er überwiegt für uns deutlich. Rechtliche und technische Bedenken hatten wir übrigens keine. Wir trauen dem VPN-Tunnel. Trotzdem ist unser Freifunkrouter komplett vom Büronetzwerk (Air Gap) getrennt. Dies ist neben nun verfügbaren Freifunk ein weiterer Wohlfühlservice in das gute Gefühl unserer Mandanten.
Nach den Überlegungen, daß ein Recht auf Internetzugang aus der Verfassung (s.o.) besteht und wir als Anwältinnen auch zu den Organen der Rechtspflege gehören, stellt sich bei konsequentem Durchdenken dieser Frage, ob es nicht sogar unsere soziale und ethische Pflicht ist, ein freies und offenes Netzwerk in Göttingen zu unterstützen. Gerade wenn die Kommunen und der Gesetzgeber bisher Internetzugang für alle nicht effektiv gefördert bekommen. Daher sind wir Bestandteil des schnell wachsenden Meshnetzwerks in Göttingen auch als bewußtes Statement geworden.
Manche Kommunen haben sich ebenso erfreulich gegen eine Angst vor dem Internet entschieden und machen erfolgreich mit beim Freifunk. Andere Kommunen betreiben allerdings ein rätselhaftes Herleiten fragwürdiger Gründe, weshalb sie lieber Angstfunk anbieten wollen, bei dem man erst umfangreiche Nutzungsbedingungen abhaken muß und natürlich personenbezogene Daten hinterlassen, um dann in ein gefiltertes Internet für eine begrenzte Zeit zu kommen.
Die vermeintliche Störerhaftung ist der Grund, weshalb viele Kommunen einen Internetzugang nicht zur Verfügung stellen oder den Betrieb offener W-LANs outsourcen auf gewerbliche Anbieter. Praktisch gesehen ist dies eine Angst vor Tauschbörsenabmahnungen, andere relevante Fälle gibt es nicht. Aus Haftungsangst werden hier unnötige Kosten verursacht, kommerzielle Anbieter gewählt und Zugangsbarrieren geschaffen, die das Recht auf Internetzugang (s.o.) unnötig behindern. Die Störerhaftung lässt sich allerdings günstig durch die Zusammenarbeit mit einem örtlichen Freifunknetz vermeiden. Die Kosten sind ein Bruchteil, denn ein Freifunknetz ist so gut wie umsonst.
Weshalb einige Kommunen hier - bis hin zur Absurdität - Argumente herleiten, ist nicht verständlich. Braunschweig findet Freifunk juristisch nicht nachhaltig abgesichert und bleibt nebulös ablehnend. Gütersloh bevorzugt ebenso Angstfunk mit detallierteren fragwürdigen Argumenten, die jedoch von sachlicher Unkenntnis zeugen:
Andere Kommunen nähmen auch nicht Freifunk: Recherche bei anderen Kommunen hätten ergeben, dass andere aus unterschiedlichen rechtlichen Gründen nicht die Verwaltungen selbst als Betreiber von freiem W-LAN auftreten, sondern es grundsätzlich Konstrukte mit Tochterfirmen, GmbHs, Energieversorgern, Providern oder allgemeinen Marktanbietern gibt. Dies Argument ist unzutreffend; es gibt Kommunen, die Freifunk unterstützen und Freifunkprojekte fördern, so zum Beispiel nicht nur Arnsberg, sondern auch Körbecke, Winterberg oder Neuenrade.
Es gäbe Störerhaftung: Dies Argument ist unzutreffend, denn der Betreiber fiele unter das Providerprivileg nach § 8 TMG, das ihn von der Haftung gerade befreit. So entschied es zum Beispiel das Amtsgericht Hamburg (25b C 431/13) und das Amtsgericht Charlottenburg (217 C 121/14) zu Gunsten eines Freifunkserverbetreibers, dass von diesem keine unzumutbaren Maßnahmen verlangt werden dürfen. Näheres hierzu in unserem allgemeinen Freifunktext.
Es müssten Sperren erfolgen wegen Jugendschutz: Jugendliche hätte im Freifunknetz Zugriff auf entwicklungsgefährdende Angebote, da hier nicht gefiltert würde. Es wird hier übersehen, daß Anbieter jugendgefährdender Angebote stets Zugangssicherungen und Alterskontrollen vornehmen müssen. Diese Pflicht der Betreiber derartiger Internetseiten entfällt nicht plötzlich bei Freifunk. Der Betreiber eines Offenen W-LAN Netzes kann es hingegen nicht umfassend schaffen, Internetseiten zu sperren, die gegen diese Zugangssicherung bei jugendgefährdender Inhalte verstoßen. Der Jugendschutzfilter benötigt hier eine genaue Prüfung, denn es handelt sich um Sperren vom Internetinhalten aufgrund der Entscheidungen einer privaten Firma oder?
Es gäbe bald eines neues Gesetz, § 8 TMG, nachdem Freifunk unzulässig wird: Dies ist grob falsch. Der geplante § 8 TMG regelt lediglich Fragen der Haftung, also wann man auf Unterlassung in Anspruch (=Abmahnung) genommen werden kann, aufgrund von Rechtsverletzungen Dritter. Der neue § 8 TMG verbietet nicht, ein W-LAN offen zur Verfügung zu stellen. Freifunkanbieter bekommen allerdings keine Abmahnungen für Rechtsverletzungen Dritter. Durch die Umleitung über die VPN-Tunnel zu Servern z.B. im Ausland ist die IP-Adresse nicht ermittelbar. Dies ist auch legal. Freifunk arbeitet daher mit einer technischen Sicherheitsvorkehrung. Diese technische Lösung gibt es bei anderen Anbietern nicht. Dort wird lediglich juristisch gearbeitet, um der Störerhaftung, die tatsächlich nur aufgrund von Tauschbörsenabmahnungen eine praktische Relevanz entfalten kann, zu entgehen.
Das neue Gesetz wird heftig kritisiert, da es großflächig nur zu Rechtsunsicherheiten führt und im Konflikt mit anderen Gesetzen (GG s.o.,BDSG, EU-Recht) steht. Ob es überhaupt verabschiedet wird, ist daher fraglich.
Wir machen Freifunk, weil wir Göttingen mögen!
Deutschlands W-LAN Situation ist im internationalen Vergleich zu anderen Industrienationen höchst peinlich. Die von Göttingen damit natürlich auch. Das soll anders sein.
Ein großes Freifunknetzwerk steht Göttingen sehr gut zu Gesicht.
Trotz der Möglichkeit, Freifunk zu nutzen und den Bürgern günstig Internetzugang zu ermöglichen, ist Deutschland in Sachen Onlinezugang ein Internetentwicklungsland. Ganze Bevölkerungsgruppen sind von der digitalen Teilhabe ausgeschlossen. Die Möglichkeit ins Internet zugehen, ist mit Kosten verbunden und damit den Menschen vorbehalten, die sich Internetanschuß und Hardware leisten können. Nach Auswertungen des Digitalindex sind in der Einkommensgruppe 1.000-2.000 Euro nur 65,8% Onliner, also Internetnutzer und in der Einkommensgruppe bis 1.000 Euro sogar nur 54,1%. In der Altergruppe der über 70jährigen sind sogar nur 29.4 % Onliner. Und prozentual sind mehr Männer Onliner als Frauen.
Wir machen Freifunk, weil Internet etwas wert ist und deswegen für alle da ist!
Der BGH hat entschieden, daß ein Internetzugang Geld wert ist, da es sich um ein entscheidend mitprägendes Medium handelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht. Wir finden, daß daher der Anschluß mit anderen geteilt werden sollte. Wenn andere den Anschluß gerade benutzen wollen oder müssen, kann man hier etwas abgeben, denn mit der verfügbaren Bandbreite hat jeder einzelne Anschlußinhaber mehr als er selber braucht. Durch das Internet können Sachinformationen zu jedem nur denkbaren Themenbereich eingeholt werden, urteilte das Bundesarbeitsgericht und verfügte, daß ein Betriebsrat Internetzugang haben muß, um sich informieren zu können.
Wir meinen, daß jeder Mensch die Möglichkeit haben sollte, sich zu informieren. Deswegen bieten wir Freifunk an.
Die Nutzbarkeit des Internet ist ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer, jedenfalls vor dem hier maßgeblichen Jahreswechsel 2008/2009 beginnender Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist und bei dem sich eine Funktionsstörung als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt. ... Damit hat sich das Internet zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.
Durch das Internet können Sachinformationen zu jedem nur denkbaren Themenbereich eingeholt werden. So wird der Stand der arbeits- und betriebsverfassungsrechtlichen Gesetzgebung und Rechtsprechung in unzähligen Quellen des Internet fast tagesaktuell wiedergegeben. Homepages der Gesetzgebungsorgane und verschiedener Gerichte geben wichtige Gesetzesvorhaben und Entscheidungen wieder. Der Betriebsrat kann sich mit Hilfe der im Internet zur Verfügung stehenden Suchmaschinen zu einzelnen betrieblichen Problemstellungen umfassend informieren, ohne auf Zufallsfunde in Zeitschriften oder Zeitungen, veralteten Kommentierungen oder Gerichtsentscheidungen angewiesen zu sein (BAGE 107, 231 = NZA 2004, 280 [zu B II 2b]). Dabei beschränkt sich der Bezug zu den Aufgaben des Betriebsrats nicht auf Rechtsfragen. Auch Informationen von privaten oder staatlichen – für die Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben relevanten – Institutionen, die in aller Regel über einen Internetauftritt verfügen, können eingeholt und genutzt werden. Des Weiteren sind z.B. Formulierungshilfen zu Betriebsvereinbarungen oder notwendige Adressen von Behörden zugänglich. Die aufgabenbezogenen Bereiche, in denen sich der Betriebsrat im Internet Informationen beschaffen kann, sind nahezu allumfassend. [19] cc) Daher kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die Nutzung des Internet der gesetzlichen Aufgabenerfüllung des Betriebsrats dient.